August 9, 2025

Die Lotsin

„Die Lotsin“ - atmosphärisch dichter, stilistisch souverän geschriebener Küstenkrimi, mit viel Fachwissen und einen fulminanten Einstieg

August 9, 2025

„Die Lotsin“ ist der vierte Band um Kommissar Liewe Cupido von der Bundespolizei See. Die Krimi‑Reihe um den eigenwilligen Ermittler, beginnend mit „Der Holländer“ (Februar 2023), gefolgt von „Der Taucher“ (Mai 2024) sowie „Der Retter“ (Herbst 2024), zeichnet sich durch eine charakteristische Mischung aus lakonischem Stil, starker Atmosphäre und regionalem Setting aus. Cupido ist der wortarme, beobachtende Ermittler, der innere Regungen selten zeigt – seine Stärke liegt im genauen Hinschauen, nicht im Auftritt. Als Kind deutsch‑niederländischer Herkunft auf Texel aufgewachsen, ist er verschlossen, aber mit feinem Gespür für Personen und Orte ausgestattet. Seine Arbeitsweise ist ruhig und taktisch bedacht.

In „Die Lotsin“ kommt es während einer Übung des niederländischen, deutschen und dänischen Grenzschutzes vor Helgoland kommt zu einem Notruf: Iona Grimstedt, Klimahistorikerin auf einem US-Forschungsschiff, unterwegs von Grönland nach Kiel, verschwindet in der Deutschen Bucht spurlos. Die Ermittlungen übernimmt zunächst Cupidos junger Kollege Xander Rimbach. Die Umstände deuten auf einen Suizid hin, doch als Liewe Cupido einen Hinweis von der namensgebenden Lotsin erhält und ein niederländischer Kutter einen grausamen Fund macht, kommt der Fall ins Rollen.

Mathijs Deen wurde 2018 für die literarische Qualität seines Werks der Halewijnpreis verliehen. 2024 erhielt er für „Der Taucher“, den zweiten Teil dieser Krimireihe, den renommierten niederländischen Krimi-Preis „De Gouden Strop“. Sein Schreibstil zeichnet sich durch eine ruhige, präzise Sprache aus, die besonders in der Schilderung der norddeutschen und niederländischen Küstenlandschaft brilliert. Der minimalistische, klaren Stil ist schnörkellos, atmosphärisch bildhaft, mit gezielt eingesetzten humorvollen Einschüben. Die Landschaft – vom Watt über Helgoland bis nach Grönland – wird zur eigenen Figur im Roman, durchdrungen von Wind, Gezeiten, Weite und Stille, getragen von Deens fundiertem Fachwissen über Seefahrt und Navigation. Leser spüren förmlich den salzigen Wind, das Watt, die Gezeiten – eine Stimmung, die weit über klassischen Regionalkrimi hinausgeht. Diese maritime Atmosphäre ist authentisch und gibt dem Krimi seine besondere Tiefe.

Eine sorgfältig konstruierte Handlung, ein schneidender Blick auf menschliche Widersprüche und die häufig eisige Distanz zwischen Menschen – die Spannung liegt weniger in Action, sondern mehr im psychologischen Verweben von Persönlichkeiten. Der Fall selbst baut langsam, aber nachhaltig Spannung auf – zuweilen mit überraschenden Wendungen, die psychologische Tiefe erzeugen. Auch die Ausarbeitung des Innenlebens der Figuren, insbesondere von Iona Grimstedt, entfaltet enorme emotionale Wirkung. Anteile an Privatleben von Liewe und Iona nehmen viel Raum ein, diese Nebenstränge überlagern die narrative Spannung aber teilweise. Cupidos junger Kollege Rimbach wird von einer Neben- immer mehr zu einer Hauptfigur.

„Die Lotsin“ ist ein atmosphärisch dichter, stilistisch souverän geschriebener Küstenkrimi, der durch Setting, Fachwissen und einen fulminanten Einstieg besticht. Im Vergleich zu den Vorgängerbänden wirkt dieser neuer Cupido-Fall ambitionierter: komplexere Themen, stärkerer Fokus auf gesellschaftliche Relevanz. Problematiken wie Online-Radikalisierung, Geschlechterrollen, Machtstrukturen in traditionellen Berufen oder der Wandel maritimer Arbeitswelten werden gekonnt eingewoben. Ein Krimi mit Tiefgang und regionalem Flair, hochwertige Unterhaltung.

Die Lotsin

Mathijs Deen

Mare Verlag

Gebunden, mit Lesebändchen, 352 Seiten, 23 Euro

ISBN: ‎ 978-3866487390

https://www.mare.de/buecher/die-lotsin-739?srsltid=AfmBOoo6ajDEQ2-ykp0jD409rAI1och_UqEYOKDzTOJIpWc1zN9IQhDG

Ihnen hat der Artikel gefallen? Dann jetzt teilen auf Facebook, LinkedIn und X