„Der Untergang der Wager“ ist eine historisch verbürgte Tatsache, die Autor David Grann gekonnt zu einem fulminanten, geschichtlichen Abenteuerroman verwebt. Packend und atmosphärisch dicht erzählt er eine Geschichte von Schiffbruch, Meuterei und Mord, von Treue, Verrat, Schuld und Unschuld. Nach dem Untergang der Wager, einem leichten englischen Kriegsschiff, kam es zu einer Meuterei auf einer einsamen Insel und zu Verbrechen, die von Habgier, Rache und Macht getrieben wurden. Der in mehr als 25 Sprachen übersetzte Roman „Der Untergang der Wager“ stand wochenlang auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und ist das Lieblingsbuch 2023 von Barack Obama. David Grann ist mehrfach preisgekrönter Journalist und Schriftsteller, sein Bestseller „Killers of the Flower Moon“ wurde von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio verfilmt und gewann in diesem Jahr neun Oscars, darunter den für den besten Film.
Der Untergang der Wagner
Im September 1740 bricht die Wager als Teil einer Kriegsflotte der britischen Marine auf, um die spanische Flotte zu dezimieren und, wenn möglich, vor Südamerika eine mit Schätzen beladene Galeone zu überfallen. Die Mannschaft ist bunt zusammengewürfelt und besteht zu einem Großteil aus zwangsverpflichteten Männern ohne jegliche seemännische Erfahrung. Im Januar 1741 sinkt die vom Geschwader getrennte, langsamere Wager in einem Sturm vor der Küste Patagoniens beim Versuch, Kap Hoorn zu umrunden. Die schiffbrüchigen Überlebenden können sich an Land retten, doch die Insel ist felsig, geborgene Nahrungsmittelaus dem Wrack schnell aufgebraucht. Nahrungsmangel und Hoffnungslosigkeit lassen sie Männer verrohen, die Besatzung zerfällt in mehrere Lager. Ein knappes Jahr später stranden 30 Überlebende mit einem notdürftig zusammengeschusterten Segelboot schließlich vor Brasilien, drei weitere in Chile. Beide Gruppen gelangen nach England zurück und machen sich gegenseitig verantwortlich für die Havarie und die Folgen. Die 30 in Brasilien Aufgegriffenen werden vom Schiffskommandanten der Meuterei und des Mordes bezichtigt. Wer sagt die Wahrheit und was hat sich wirklich zugetragen? Ein Gericht muss die Entscheidung treffen.
Gut recherchiert
Das ganze Grauen dieses Schiffbruchs und der späteren Versuche, sich zurück nach England durchzuschlagen, erzählt Grann spannend und detailliert, ohne je Partei für eine Seite zu ergreifen. Seine Quellenrecherche für diesen Roman ist phänomenal. Das Buch ist extrem gut recherchiert, in der Art einer wissenschaftlichen Arbeit belegt er alle seine Aussagen stichhaltig. Das Literaturverzeichnis am Ende des Buches ist sehr umfangreich, die Quellenangaben umfassen 60 Seiten. Der Autor stützt sich auf Hinterlassenschaften in Archiven wie dem Britischen Nationalarchiv, dem der Royal Navy und der US-Kongressbibliothek und hat Log- und Tagebücher, Briefe sowie Unterlagen des Prozesses ausgewertet.
Meisterliche Leistung
Er lässt alle Seiten zu Wort kommen, ohne dabei Differenzen zu glätten oder sich für eine der Seiten zu entscheiden. Dabei zeichnet Grann phänomenale Bilder von den wichtigsten Charakteren des Unglücks, sodass der Leser einen ausgezeichneten Eindruck von diesen Menschen und ihren (verfallenden) Werten, Beweggründen und Handlungen bekommt. Das Buch schildert eine ganze Reihe von Dramen. Zwischen Schuld und Unschuld sowie Tätern und Opfern liegen nur Nuancen. Wirklich jeder der geschilderten Charaktere kann in Extremsituationen, die den verzweifelten Gestrandeten alles abverlangten, jederzeit von einem in den anderen Zustand gleiten. Dieses Spannungsfeld nur durch neutrale Schilderungen zu verdeutlichen, ist eine der meisterlichen Leistungen Granns.
Bildtafeln ergänzen die Erzählung und bieten Einblick in das Leben der damaligen Zeit und der Männer auf einem Schiff. Der Alltag ist von schwerster Knochenarbeit, Entbehrungen, Ungeziefer und Krankheiten gezeichnet, Privatsphäre gibt es nicht, trotzdem muss die Schiffsgemeinschaft funktionieren. Durch mehrere Karten lassen sich die Wege der Schiffe gut nachverfolgen. Das Buch liest sich sehr angenehm flüssig. Spannend und detailliert schildert Grann das Schicksal der Wager und ihrer Mannschaft. Er verknüpft Charaktere und Geschehnisse mit dem Zeitgeschehen und greift dabei auch auf Literatur der damaligen Zeit zurück.
Dramatischer Thriller
Ein hochspannendes Kapitel Geschichte, das einem Abenteuerroman in Nichts nachsteht. Grann ist das großartige Kunststück gelungen, aus einer Aktenlage einen spannenden und fesselnden Tatsachenbericht zu konstruieren. Klare Empfehlung, nicht nur für alle, die sich für die Seefahrt und historische Kriminalfälle interessieren. Ein dramatischer Thriller, der aufräumt mit verklärter Seefahrerromantik.
Der Untergang der Wager
David Grann
Bertelmann Verlag
Gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 430 Seiten, 25 Euro
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Ingo Thiel