Dezember 16, 2024

Buchtipp: Der Gedanken-Code

Gedanken Code

Dezember 16, 2024

Die Gedanken sind frei… Noch ist das so, aber weltweit arbeiten Konzerne und Wissenschaftler daran, auch bis in den letzten Winkel menschlicher Hirne vorzudringen, Gehirnaktivitäten zu analysieren und das Denken für andere sichtbar zu machen. Janosch Delcker, Journalist und KI-Experte, beleuchtet in dem Buch „Der Gedanken-Code“ die faszinierenden wie alarmierenden Entwicklungen neuro-adaptiver Technologien. Mit investigativem Blick und journalistischer Präzision vermittelt Delcker, wie diese Fortschritte menschliche Freiheit und Privatsphäre beeinflussen könnten.

Der Gedanken-Code

Delcker beschreibt globale Forschungsprojekte von Berlin über Indien bis Patagonien und zeigt die Bemühungen großer Konzerne wie Meta und Google, neuronale Daten zu nutzen. Fortschritte in Technologien wie Gehirn-Computer-Schnittstellen zeigen bereits, wie Gedanken und Gefühle durch KI interpretiert werden könnten. KI-Technologien analysieren bereits Emotionen, durchleuchten Persönlichkeiten und können Gehirnaktivitäten interpretieren. Der Autor beleuchtet die technischen Grundlagen und veranschaulicht deren Anwendung in Bereichen wie Gehirn-Computer-Schnittstellen und Wearables. Diese Innovationen versprechen einerseits medizinische Fortschritte, etwa in der Behandlung neurologischer Erkrankungen, bergen andererseits jedoch erhebliche Risiken für die Privatsphäre und Autonomie des Einzelnen. Die Kontrolle über Gedanken könnte neue Abhängigkeiten und Manipulationen schaffen. Besonders eindringlich sind Delckers Beispiele, etwa wie soziale Medien durch Algorithmen Verhalten beeinflussen – ein Vorgeschmack auf die Macht von Gedankenmanipulation.

Neurorechte?

So sieht er KI als „möglicherweise die süchtig machendste Droge der Menschheitsgeschichte“, eine Aussage, die er mit eindrucksvollen Beispielen untermauert. Delcker fordert die Einführung von „Neurorechten“, um die kognitive Autonomie zu schützen, ruft zu einer bewussteren Nutzung digitaler Technologien und zeigt auf, dass diese Entwicklungen tiefgreifende ethische Fragen aufwerfen, insbesondere hinsichtlich der Kontrolle über persönliche Daten und Gedanken. Mit der von Decker sogenannten „RECODE“-Methode bietet das Buch praxisnahe Ansätze zur digitalen Selbstbestimmung.  „RECODE“ ist ein praktisches Konzept, das Wege zur Minderung der digitalen Reizüberflutung aufzeigt. Die vier Schritte (Reflect, Change, Organize, Detach) sollen den bewussten Umgang mit digitalen Technologien fördern.

Tiefgründige Lektüre

Delckers Schreibstil ist prägnant und zugänglich, wobei er komplexe technische Themen in eine verständliche Sprache übersetzt, die wissenschaftliche Präzision mit journalistischer Erzählkunst kombiniert. Er verbindet Fakten mit Anekdoten und sorgt so für eine dynamische und gleichzeitig tiefgründige Lektüre.

Dieses Buch eignet sich hervorragend als Einstieg in die Thematik, regt jedoch auch fortgeschrittene Leser zum Nachdenken an. Mit der Kombination aus Reportage und fundierter Analyse durch zahlreiche Fachleute bietet es einen guten, ersten Überblick über die Herausforderungen und Möglichkeiten der „Gedanken-KI“.

Ingo Thiel

Der Gedanken-Code

Janosch Delcker

C.H. Beck Verlag

Taschenbuch, 206 Seiten, 16 Euro

ISBN: ‎ 978-3406823435

Weitere Informationen unter https://www.chbeck.de/delcker-gedanken-code/product/37004680

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