Mit “Der Frauenausborger” präsentiert der österreichische Multikünstler Joesi Prokopetz einen humorvollen Kriminalroman, der tief in der Wiener Seele verwurzelt ist. Im Zentrum der Geschichte steht Rainer Caofal, ein selbsternannter „Frauenausborger”. Er verkörpert den Prototyp eines Bindungsphobikers, der echte Beziehungen konsequent meidet und stattdessen nur kurzfristige Affären eingeht. Der „Frauenausborger” hat keinerlei Skrupel, sich die Ehefrauen und Partnerinnen seiner Freunde auszuleihen. Dieses fragwürdige Verhalten sorgt nicht nur für Spannungen, sondern auch für eine lange Liste potenzieller Feinde. Als Caofal in der Seniorenresidenz “Juventus” tot aufgefunden wird, beginnt die Suche nach dem Täter.
Das Besondere: Der Protagonist stellt selbst fest, dass er hinterrücks erschlagen wurde und berichtet aus dem Jenseits. Diese ungewöhnliche Perspektive ermöglicht es dem Autor, eine retrospektive Reise durch Caofals Leben zu inszenieren, während der Protagonist selbst versucht, seinen Mörder zu identifizieren. Als notorischer Lebemann hinterlässt Caofal eine Reihe von möglichen Verdächtigen, aber war sein Tod verhängnisvolles Missgeschick oder doch Mord aus Eifersucht?
Multikünstler Joesi Prokopetz
Der 1952 in Wien geborene Joesi Prokopetz ist vor allem dem österreichischen Publikum als vielseitiger Künstler bekannt – Liedermacher, Musiker, Autor und Kabarettist. “Der Frauenausborger” ist sein zweiter Roman, der nicht nur Spannung, sondern auch tiefgründige Einblicke in zwischenmenschliche Beziehungen und die Konsequenzen eines bindungsscheuen Lebensstils bietet.
Die Stärke des Buches liegt im Plot und in der Atmosphäre. Prokopetz fängt die Wiener Kultur, den Charme und die Eigenheiten der Stadt meisterhaft ein. Der Lokalkolorit wird durch die detailreichen Beschreibungen von Schauplätzen, typischen Wiener Charakteren, Gesellschaftsstrukturen und Verhaltensweisen sowie dem unverwechselbaren Humor, der die Wiener Mentalität prägt, authentisch dargestellt. Die Residenz “Juventus”, in der ein Großteil der Handlung spielt, wird dabei zu einem Mikrokosmos der Wiener Gesellschaft. Die Szenen sind durchzogen von morbidem Witz, der die Leichtigkeit des Erzähltons mit den ernsteren Themen des Romans – Schuld, Sühne und die Konsequenzen eines hedonistischen Lebensstils – kontrastiert.
Wiener Kultur
Die Wiener Kultur ist nicht nur Rahmen der Handlung, sondern durchdringt alle Ebenen, von der Sprache über die Charaktere bis hin zur grundlegenden Erzählhaltung. So kann der Roman als Gesellschaftsspiegel gelesen werden, denn Caofal verkörpert nicht nur den charmanten Verführer, sondern auch die dunkleren Seiten des Individualismus: Egoismus, Verantwortungslosigkeit und die Konsequenzen, die daraus entstehen können. Prokopetz gelingt es, diesen gesellschaftskritischen Unterton in eine Kriminalgeschichte zu verpacken, die bis zur letzten Seite spannend bleibt, bis zum überraschenden Ende.
Eine gelungene, unterhaltsame Mischung aus Krimi, Gesellschaftssatire und kulturellem Porträt. Dem Autor gelingt es, Spannung und Humor miteinander zu verweben und gleichzeitig einen kritischen Blick auf die Gesellschaft zu werfen.
Ingo Thiel
Der Frauenausborger
Josie Prokopetz
Servus Verlag
Broschiert, 224 Seiten, 20 Euro
ISBN: 978-3710403446
Weitere Informationen unter https://www.beneventopublishing.com/servus/produkt/der-frauenausborger-2/