„Bis zum Grund der Welt: Das abenteuerliche Rennen um die Kartierung des Meeresbodens“ von Laura Trethewey verknüpft auf beeindruckende Weise Wissenschaft, Abenteuerjournalismus und Umweltethik. Das Buch beleuchtet den Wettlauf, die noch weitgehend unerforschten Meeresböden der Erde umfassend zu kartieren. Inhaltlich basiert Tretheweys Buch auf der Tatsache, dass bis Anfang der 2020er Jahre nur etwa 25 Prozent des Meeresbodens verlässlich erforscht waren, obwohl die Ozeane drei Viertel der Erdoberfläche bedecken.
Die Autorin schildert, wie Wissenschaftler, private Investoren, Abenteurer und Staaten sich zusammentun oder konkurrieren, um bis 2030 möglichst alle bislang unbekannten oder ungenau kartierten Stellen des Meeresbodens zu erfassen. Trethewey nimmt Forscher und Pioniere der Tiefseevermessung in den Blick, und beleuchtet deren Motivationen, die zur Kartierung gehörenden technischen und logistischen Herausforderungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und die oft zwiespältigen Auswirkungen hinsichtlich möglicher Ressourcenausbeutung, Umweltrisiken und wer das Recht hat, über die Meeresböden zu verfügen.
Dabei spannt das Buch einen weiten Bogen: Es beginnt bei historischen Karten und Erkundungsarbeiten, über moderne sonarbasierte Technologien, Drohnen und Satellitenmessungen, bis zu privaten Projekten wie mit submarinen Fahrzeugen, Expeditionen in die Tiefsee, und auch Unternehmen, die die Meere erschließen wollen, um Rohstoffe zu gewinnen. Trethewey fragt kritisch: Was lernen wir über die Herkunft des Lebens, wenn wir den Meeresgrund besser kennen? Welche Rolle spielen Geheimhaltung, Eigentumsinteressen und wirtschaftlicher Profit in dem Rennen? Und wie lässt sich schützen, was in der Tiefe verborgen liegt?
Was den Schreibstil angeht, schafft Trethewey einen gelungenen Balanceakt zwischen fachlicher Detailtiefe und zugänglicher Darstellung. Sie verbindet wissenschaftliche Informationen mit erzählerischen Elementen: Reiseberichte, Interviews, Beschreibungen von Tauchgängen und Expeditionen. Auf diese Weise gewinnt man nicht nur Wissen, sondern auch ein Gespür für die Gefahr, das Unerwartete und das Staunen, das mit der Meeresforschung verbunden ist. Lebhaft und eindrucksvoll schildert Trethewey bestimmte Orte und Erlebnisberichte und zeigt, dass die Erforschung des Meeresbodens nicht nur technisches Abtasten ist, sondern oft Grenzerfahrungen und Abenteuer impliziert.
Das Buch verzichtet aber nicht auf kritische Reflexion: Trethewey zeigt Nachteile und Risiken, aber immer eingebettet in historischen Kontext und technische Machbarkeit, mit Blick auf das Mögliche. Dadurch wirkt das Buch glaubwürdig und anregend, nicht nur informierend, sondern auch zum Nachdenken anregend. Laura Trethewey ist eine vielfach ausgezeichnete Umwelt- und Meeresjournalistin, deren Artikel u.a. im Guardian, Wall Street Journal und Canadian Geographic erscheinen. Sie wurde 2020 mit einem „Rising Star Award“ des Writers’ Trust of Canada ausgezeichnet. Diese Kombination aus journalistischem Profil, wissenschaftsaffinem Interesse und erzählerischem Können zeigt sich im Buch: ihre Erfahrung mit Recherchen, Interviews und Schreiben wissenschaftsnaher Themen zahlt sich aus, denn sie bietet nicht nur Fakten, sondern sie erklärt die Zusammenhänge und macht Risiken und Chancen gleichermaßen sichtbar.
„Bis zum Grund der Welt“ ist ein gelungenes Sachbuch, Trethewey vermittelt, dass der Meeresboden politisch, wirtschaftlich und moralisch eine der letzten Grenzzonen der Erde ist. Das Buch regt dazu an, nicht nur zu schauen, sondern auch zu fragen: Wem gehört das Wissen? Wem gehören die Ressourcen? Wie schützen wir, was wir entdecken, und wie verhindern wir, dass aus wissenschaftlichem Forschen rücksichtsloses Ausbeuten wird?
Bis zum Grund der Welt
Laura Tretheway
Mare Verlag
Gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 28 Euro
ISBN : 978-3866487635