Uralte Burgen und mystische Steine, windgepeitschte Lochs und Glens, Whisky und Dudelsackmusik – eine Kreuzfahrt mit der „Lord of the Glens“ durch Schottland lässt die Fantasie Purzelbäume schlagen.
Zwei Tage im Jahr – so lautet ein altes Sprichwort – schätzen die Schotten besonders: Weihnachten und den Sommer. Während uns der Bus von Glasgow zur „Lord of the Glens“, unserem schwimmenden Zuhause für die nächsten sieben Tage bringt, rätsele ich, ob Schottlands Schlechtwetter-Image sich doch bewahrheiten könnte. Der Himmel ist grau, Nieselregen benetzt die Fensterscheiben. Es ist Mitte Mai, acht Grad kalt und ich habe vergessen, einen Schirm mitzunehmen. Das Wetter und die Laune bessern sich schlagartig, als unsere Reisegruppe Inveraray erreicht und dort den 13. Duke of Argyll besucht – oder besser gesagt seine liebliche Burg mit dem fantastischen Garten, in dem riesige Rhododendronbüsche in allen Farben blühen. Fans der Fernsehserie Downtown Abbey erkennen das Gebäude natürlich gleich als Schauplatz ihrer Lieblingsserie wieder.

Durchs Tal der Tränen
Weiter geht’s über einsame Straßen durch die Highlands. Mit jeder Meile, die der Bus in Richtung Norden zurücklegt, wirken die Berge schroffer und steiler. Nebel wallt von ihren Gipfeln. Das Tal der Tränen, hat Reiseführerin Sandra die Gegend genannt, die eigentlich Glencoe heißt. Die Tragödie, die sich hier am 13. Februar 1692 abspielte, spukt heute noch in den Köpfen der Menschen herum. In der Nacht, in der ein Clan den anderen verriet und überfiel, fanden 78 Männer, Frauen und Kinder den Tod. Ganz abgesehen von der Geschichte des Massakers macht die Landschaft etwas mit einem. Moor, Heide, Einsamkeit und Nebel. Es wird still im Bus. Die eigenen Befindlichkeiten erscheinen klein in Gegenwart der zeitlosen Natur.
Am frühen Abend erreichen wir Kyle of Lochalsh, den kleinen Hafen unseres Schiffes an der Westküste. Die „Lord of the Glens“ macht gleich auf den ersten Blick einen gemütlichen Eindruck: mit Mahagoni vertäfelte Wände, glänzendes Chrom, bordeauxrote Stoffe. Vom Bett aus schaut man durch große Fenster auf Wasser und Berge. Zum Abendessen, das in drei Gängen serviert wird, gibt’s frischen Lachs von den Shetlands. Einige Gäste genehmigen sich den ersten Whisky. Und dann geht’s ab in die Koje, denn am nächsten Morgen stehen neue Schottland-Abenteuer auf dem Programm.


Hollywood lässt grüßen
Eilean Donan Castle sieht genauso aus, wie man sich eine Burg in den schottischen Highlands vorstellt. Kein Wunder, dass sie zum Schauplatz bekannter Filme erkoren wurde. Hier wurde der Highlander gedreht, aber auch Teile des James-Bond-Streifens ‚Die Welt ist nicht genug‘.

Mittags heißt es dann endlich „Leinen los“ mit der „Lord of the Glens“. Wir fahren nach Inverie, einem kleinen Örtchen auf der Knoydart Halbinsel. Die 110 Einwohner sind nur mit dem Schiff erreichbar, keine Straße führt zu dem Dorf, in dem die Bewohner liebevoll ihren ‚The old Forge‘, den einsamsten Pub Schottlands, bewirtschaften.

Der Wind frischt auf, die Wellen lassen unser kleines Schiff schaukeln, obwohl es fest vertäut im Hafen von Inverie liegt. Regenschauer gehen über das Land. Dicke Wolken jagen über den Himmel. Die Weiterfahrt am nächsten Morgen fällt flach, denn an unserem Zielort, der Isle of Eigg, ist das Wetter tatsächlich noch schlechter. Die Gäste machen das Beste aus der Situation. Als es aufhört zu regnen, erkunden sie die Gegend auf ausgedehnten Wandertouren. Sie fotografieren die wild-romantische Landschaft, wärmen sich am Kaminfeuer im Pub auf und plaudern mit den Einheimischen. Am Ende der Reise erinnern sich die meisten mit einem Lächeln an den eigentlich nicht vorgesehenen Tag in der schottischen Einsamkeit. Die wilde Halbinsel in den Inneren Hybriden gewährte uns in der ihr eigenen Bescheidenheit einen unvergesslichen Blick in die Seele des Landes.

Mit der „Lord of the Glens“ zur Isle of Mull
Am nächsten Morgen hat sich die See beruhigt. Die „Lord of the Glens“ schippert hinüber zur Isle of Mull. Wieder klettern wir in einen Bus, fahren quer über die Insel. Eine Fähre bringt uns hinüber nach Iona. 563 gründete der irische Heilige Columban hier ein Männerkloster, das die Insel zu einem der Ausgangspunkte der Christianisierung Großbritanniens machte. Im mittelalterlichen Kloster sind sage und schreibe 48 schottische Könige begraben. Viele Ausflügler haben beneidenswerte Kamera-Ausrüstungen dabei, sind auf der Jagd nach Seeadlern und Papageientauchern. Am frühen Abend setzt unsere Motoryacht nach Oban über. Der Ort gilt als Seafood Capital Schottlands.

Der Kaledonische Kanal
Über die Neptune’s Staircase – das sind acht miteinander verbundene Schleusen – fährt die „Lord of the Glens“ in den 97 Kilometer langen Kaledonischen Kanal ein. Er verbindet die Ostküste mit der Westküste Schottlands und stellt eine Herausforderung an den Kapitän und die Crew dar. Manchmal scheint auf jeder Seite kaum eine Handbreit zwischen Schleuse und Schiff zu passen. Während unsere Yacht die engen Schleusen passiert, werfen wir einen Blick auf den nebelverhangenen Ben Nevis, Großbritanniens höchstem Berg. Harry Potter-Fans verspüren bereits ein leichtes Kribbeln im Magen. Der Nachmittags-Ausflug führt nämlich zum Glenfinnan-Viadukt. Dort schnauft die dampfbetriebene Museumsbahn The Jacobite genau wie der Hogwarts Express fotogen über die Schienen.

Auch den nächsten Tag verbringen wir auf dem Kaledonischen Kanal. Über Loch Lochy erreichen wir Fort Augustus am südlichen Ende von Loch Ness. Den sagenumwobenen See durchqueren wir am nächsten Morgen. Natürlich starrt jeder auf die windgepeitschten Wellen vor den Schiffsfenstern. Wird Nessie sich zeigen? – Fehlanzeige. Das weltbekannte Ungeheuer lässt sich nicht blicken. Dafür hören wir aber allerlei Geschichten über Nessie, die schon 565 zum ersten Mal gesehen worden sein soll – und seitdem immer wieder für Schlagzeilen und für einen guten Umsatz der Touristikindustrie sorgt.

Mystische Steine
Nächste Station ist Inverness, die Hauptstadt der Highlands. Hier fand 1745 die letzte große Schlacht zwischen Schotten und Engländern statt. Das Besucherzentrum neben dem Schlachtfeld von Culloden erweist sich als spannendes Museum. Bevor wir zum Schiff zurückkehren, halten wir noch in Clava Cairn, einer Kultstätte aus uralten Zeiten. Verwittert, moosüberwachsen, mystisch: die stehenden Steine ziehen jeden Besucher in ihren Bann. Da die Cairns so nahe beim Schlachtfeld von Culloden stehen, pilgern viele Fans der TV-Serie Outlander an diesen Ort. Der berühmte Steinkreis Craigh na Dun, durch den die Hauptdarstellerin Claire in der Zeit zurückreiste, ist eine reine Filmkulisse. Die Clava Cairns dagegen sind echt.


Captain’s Dinner an Bord der Lord of the Glens
Zurück an Bord machen sich alle zum Captain’s Dinner fein. Nach dem obligatorischen Abschiedssekt kommt eine Dudelsackspielerin an Bord und sorgt für Stimmung. Und dann wird tatsächlich jenes Essen serviert, von dem in der ganzen Woche schon viel gesprochen wurde: Haggis! Das schottische Nationalgericht erweist sich als mit Innereien gefüllter Schafsmagen. Ein junger Schotte aus unserer Crew rezitiert das Gedicht „Address to a Haggis“ von Robert Burns und reißt mitten in der dritten Strophe („cut ye up wi ready slight“) ein Schwert in die Luft, mit dem er das kochend heiße Haggis aufschneidet.

Whisky für alle
Am nächsten Morgen verlassen wir unser kleines Schiff und reisen weiter nach Edinburgh. Unterwegs besichtigen wir noch eine berühmte Burg mit einem wunderschönen Garten: Cawdor Castle. Wieder geht es durch die Highlands – diesmal in Richtung Süden. „Alles scheint Freiheit und Frieden zu atmen!“, soll schon Queen Victoria über diese Gegend gesagt haben, die sie so sehr mochte. Wir sehen Schafe, urige Hochlandrinder und nochmals Schafe. 6,5 Millionen leben in Schottland, neben fünf Millionen Menschen. Letztere lieben ihren Whisky. 130 Brennereien gibt es, die das „schottische Lebenswasser“ nach ihren eigenen Rezepten herstellen. Die älteste noch in Betrieb befindliche Whisky-Brennerei ist Glenturret. Nachdem wir uns mit der Herstellung des guten Tropfens vertraut gemacht haben, wird eingeschenkt und probiert. Und dann? – Etliche Flaschen des guten schottischen Whiskys wandern über den Tresen in unsere Taschen. Zum Schluss wird noch schnell die Geschichte von Towser erzählt. So hieß eine der Katzen der Brennerei, die ihren Job – das Mäusejagen – bitterernst nahm. Sie erreichte ein für Katzen nahezu biblisches Alter von fast 24 Jahren und erlegte in dieser Zeit angeblich 28.899 Mäuse. Damit schaffte sie es bis ins Guinness-Buch der Rekorde und bekam eine hübsche Statue direkt vor der Destillerie.


Abschluss in Edinburgh
In Edinburgh beziehen wir ein komfortables Hotel zu Füßen des prächtigen Schlosses. Wir spazieren durch Straßen, die Geschichte atmen, stöbern in Harry-Potter-Läden, trinken ein Bier in einem der vielen Pubs. Ach, Schottland ist einfach schön. In der Abgeschiedenheit der Highlands ebenso wie im quirligen Edinburgh. Und man soll es nicht glauben, aber zum Abschluss unserer Reise scheint tatsächlich die Sonne.
Susanne Müller (Text & Fotos)

Reise-Infos: Lernidee Erlebnisreisen bietet die elftägige Reise ‚Schottland mit der Lord of the Glens‘ im Sommer 2025 ab 6.980 Euro an. Im Preis enthalten sind die Flüge, die Hotelübernachtungen, die Kreuzfahrt mit Vollpension, alle Ausflüge, deutschsprachige Reiseleitung, diverse Mahlzeiten, Versicherungspaket.
Infos zur „Lord of the Glens“:
Kategorie: Motoryacht
Reederei: Magna Carta
Indienststellung: 1988, Umbau 2000
Größe: 720 BRT, 46 m lang, 10 m breit, 4 Passagierdecks, max. 52 Passagiere, 18 Crew
Kabinen/Suiten: 26 Kabinen, davon 5 Superior-Kabinen, 9,5-12,5 qm
Bordwährung: Britisches Pfund
Bordsprache: Englisch / Deutsch
Fahrtgebiete: Schottland
Infos: www.lernidee.de
Lese-Tipp: Vor oder während der Kreuzfahrt kann man sich mit der Roman-Trilogie „Das Rätsel in den Highlands“, „Im Nebel der Highlands“ und „Das Schloss in den Highlands“ von Susan de Winter auf die Reise und Schottland einstimmen. Die Bücher (auch als E-Books für nur 3,99 Euro) sind spannend und romantisch und erzielten Höchstbewertungen bei Amazon.