Im Hafen von Piräus ist es laut und geschäftig: Fähren legen an und ab, große Kreuzfahrtschiffe spucken Scharen von Passagieren aus. Zwischen all dem Trubel liegt die „Star Clipper“. Vier schlanke Masten ragen in den Himmel, das große Steuerrad scheint Geschichten aus einer anderen Zeit zu erzählen. Als die Sonne hinter den Dächern der Stadt verschwindet, werden die Leinen gelöst und der Windjammer gleitet hinaus aufs offene Meer. Hinter uns verblasst das Lichtermeer des Hafens, vor uns öffnet sich die dunkle, weite Ägäis – und mit ihr das Versprechen einer Reise, die mehr ist als nur ein Urlaub.

An Bord läuft die Zeit plötzlich langsamer. Keine Hektik, kein Gedränge – nur das stetige Rauschen der Wellen und das leise Spiel des Windes in den Segeln. Von Piräus, dem Hafen von Athen, setzt die „Star Clipper“ zunächst Kurs auf die türkische Küste. An Bord sind nur 116 Gäste, die von 75 Crewmitgliedern aus fünfzehn verschiedenen Nationen umsorgt werden – eine überschaubare Gemeinschaft, in der schnell ein Gefühl von Vertrautheit entsteht.

Chef an Bord ist Yuriy Slastenin. Der Ukrainer ist der Kapitän der „Star Clipper“ und hat 44 Jahre Seefahrt auf dem Buckel. „Ich habe meine Karriere auf der Gorch Fock I begonnen“, erzählt er und schwärmt von den besonderen Momenten, die man nur unter Segeln auf dem Meer erleben kann. „Vergessen Sie das Ausschlafen und kommen Sie zum Sonnenaufgang an Deck. Sie werden es garantiert nicht bereuen“, fordert er die Gäste auf. Und tatsächlich, am nächsten Morgen um kurz nach sechs trudeln ein paar Frühaufsteher mit einem Becher Kaffee in der Hand am Steuerhaus ein. Diese Minuten – wenn alle anderen noch schlafen – haben ihre ganz eigene Magie. Während die „Star Clipper“ sanft durch die morgendliche See gleitet, legt sich ein weiches Licht über das Deck. Es ist still. Nur das leise Schlagen der Wellen ist zu hören. Kaum jemand, der jetzt nicht ein Lächeln im Gesicht trägt.


Erstes Ziel: Kusadasi
Wir erreichen Kusadasi. Fast alle der internationalen Gäste nehmen an einem Ausflug ins nahegelegene Ephesos teil. Im Altertum war Ephesos eine der größten und bedeutendsten Städte Kleinasiens und beherbergte mit dem Tempel der Artemis eines der Sieben Weltwunder. Der Hafen Kusadasi hat sich voll und ganz auf die Touristen eingeschossen und soll sage und schreibe 4000 Geschäfte bieten, in denen man vom Teppich bis zum T-Shirt so ziemlich alles kaufen kann, was man braucht oder nicht braucht. Nach einer Sightseeing- oder Shoppingtour pilgern die Gäste erstmal an die Tropical Bar der „Star Clipper“, erfrischen sich mit einem fruchtigen Cocktail oder mit einem Sprung in einen der beiden kleinen Pools auf dem Schiff.

Erst um 23 Uhr macht es sich wieder auf den Weg. Trotz später Stunde finden sich alle Reisenden auf dem Oberdeck ein. Die Lichter der Stadt spiegeln sich im ruhigen Wasser, dann erklingt die Auslaufhymne: Conquest of Paradise. Die ersten Takte hallen über das Deck, während sich die Segel in den Nachthimmel erheben. Der Wind nimmt zu, das Schiff setzt sich in Bewegung. Jeder schaut, lauscht, spürt. Es ist einer dieser Augenblicke, die man nicht fotografieren muss, um sie für immer zu behalten.

Mit der „Star Clipper“ nach Patmos
Mit jeder Seemeile nähern wir uns nun der griechischen Inselwelt: ein Mosaik aus Felsen, Farben, Geschichten und Gastfreundschaft. Am Morgen ankert die „Star Clipper“ vor Patmos. Die weißen Häuser der Hafenstadt Skala schmiegen sich an die Hänge. Wir setzen mit Tendern über, spazieren entlang der Uferpromenade. Leuchtendes Bougainvillea rankt über Mauern, Katzen dösen in Hauseingängen. Es gibt hübsche Läden mit Kunsthandwerk und Mode. Man setzt sich in ein Straßencafé, trinkt einen griechischen Kaffee und genießt das Nichtstun.

The Big Blue: Amorgos
Am nächsten Morgen empfängt uns Amorgos und ein Ausflug führt uns hinauf zum berühmten Kloster Panagia Hozoviotissa, das sich wie ein weißer Keil spektakulär an eine schwindelerregende Felswand klammert. Der Aufstieg in der Mittagshitze ist steil, super-anstrengend, aber lohnend – oben öffnet sich ein weiter Blick über das endlose Blau der Ägäis. Nicht ohne Grund diente Amorgos als Kulisse für den Kultfilm The Big Blue. Später schlendern wir durch die Chora, den Hauptort der Insel – ein Bilderbuchdorf mit engen Gassen, weiß gekalkten Häuschen und tiefblauen Fensterläden. Auf den Plätzen sitzen Einheimische im Schatten alter Bäume, in kleinen Tavernen werden kühle Getränke serviert. Und natürlich darf ein Bad in der Ägäis nicht fehlen: Am Sandstrand von Maltezi wartet das Sportsteam der „Star Clipper“ mit Kajaks, Stand-up-Paddle-Boards und Schnorchelausrüstungen.



Paros als Überraschung
Wer sich auf Mykonos gefreut hat, wird am Tag darauf enttäuscht. Es weht ein harscher Wind, Schaumkrönchen tanzen auf den Wellen, ein Tendern ist unmöglich. Doch Mykonos ist bekannt für diese Windverhältnisse und Kapitän Slastenin weiß einen schönen Ausweich-Hafen, der uns aufnimmt: Paros. Sobald wir den Hauptort Parikia in Augenschein genommen haben, sind wir nicht mehr traurig, dass Mykonos ausgefallen ist. Der ganze Zauber der Kykladen ist hier gebündelt. Wir bummeln durch Parikia, entdecken farbenfrohe Türen und Fensterrahmen, Blumen in Hülle und Fülle, Restaurants, aus denen es nach gebratenem Fisch, Knoblauch und Zitrone duftet. Der Sommer in Griechenland – auf Paros ist er zu Hause.

Spetses: Ein letztes Bad im Meer
Unsere letzte Inselstation heißt Spetses – eine elegante, grüne Schönheit am Eingang zum Saronischen Golf. Gleich hinter dem Hafen fällt die gepflegte Uferpromenade mit den neoklassizistischen Herrenhäusern ins Auge. Pferdekutschen klappern über das Kopfsteinpflaster, Oleander blüht in großen Kübeln. Wir schlendern durch die Stadt, genießen ein letztes Bad im klaren Wasser, lassen den Blick über das Meer schweifen – dorthin, wo die Star Clipper anmutig vor Anker liegt. Wie oft wir in den letzten Tagen dieses Bild gesehen haben – das Schiff mit seinen hohen Masten, umgeben von Licht, Wasser und Weite.

Am späten Nachmittag kehren wir zurück an Bord. Es ist der letzte Sonnenuntergang dieser Reise, das letzte Ablegen unter Segeln. Und wie so oft stehen wir an Deck und spüren, wie sehr uns dieses Schiff ans Herz gewachsen ist. Nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern wegen des Gefühls, das es vermittelt: Freiheit, Langsamkeit, Nähe zum Meer. Die „Star Clipper“ ist eben kein Schiff, das man einfach nur betritt. Sie ist ein Ort, den man erlebt – mit wachen Sinnen und offenem Herzen. Wer mit ihr unterwegs ist, spürt, wie sich der Blick auf das Reisen verändert. Weniger Ziel, mehr Weg. Weniger Programm, mehr Augenblick. Und so bleibt am Ende nicht nur die Erinnerung an strahlende Inseln und stille Buchten – sondern das Wissen, etwas Besonderes erlebt zu haben.
Text & Fotos: Susanne Müller
Informationen:
In 2026 ist die „Star Flyer“, das baugleiche Schwesterschiff der „Star Clipper“, in der Ägäis unterwegs. Eine einwöchige Kreuzfahrt ab/bis Athen zu den nördlichen Kykladen kostet ab 2650 Euro pro Person. Die „Star Clipper“ fährt in 2026 auf unterschiedlichen Routen im westlichen Mittelmeer. Mehr Infos unter www.starclippers.com
Hier geht es zu einem Bericht über die Royal Clipper.