Im Hamburger Hafen versorgen nur noch zwei Kaffeeklappen Schichtarbeiter und Trucker mit deftiger und ehrlicher Hausmannskost. In ihrem Imbiss bietet Magdalena Meierdirks nicht nur ab morgens Essen an, sie ist auch ein echtes Original und Nachrichtenbörse für neue Hafen-Infos.
Mit den roten Geranien in Blumenkästen, der Gartenbank, Tischen mit weißen Plastikstühlen und Stehtischen unter einer leuchtend roten Markise ist der Eingang zum Imbiss „Zum Lütten Foffteiner“ ein auffälliger Farbklecks gegenüber den Backstein-Lagerhäusern und den grauen Hallen der Terminals in der Dessauer Straße. Der Kult-Imbiss von Magdalena Meierdirks, die alle im Hafen nur „Lena“ rufen, ist ein kleines Idyll im rastlosen Hafenbetrieb, wo man eine Auszeit nehmen kann. Der Name kommt vom Hafenschnack: „Fofftein“ heißt im Hamburger Platt zum einen die Frühstückspause, die früher lediglich 15 Minuten dauerte, zum anderen eine kleine Arbeitspause gegen 15 Uhr. In Lenas Imbiss herrscht morgens und mittags reger Andrang, hier trifft sich ein buntes Völkchen: Trucker in abgewetzten Lederwesten, Hafenarbeiter im Blaumann, dazu Uniformierte von Polizei oder Zoll sowie Wachpersonal der Terminals, aber auch Manager mit Schlips und neugierige Touristen. Am häufigsten trifft man auf Besucher, die ein erstklassiges Indiz für die Qualität von Lenas Küche sind: Hafenarbeiter und Fernfahrer. Sie wissen genau, wo sie leckeres, deftiges Essen bekommen. Frikadellen, Bauernfrühstück, Currywurst und vor allem morgens die Mettbrötchen sind die Renner.

Kaffee und Klönschnack
Die vielen Stammgäste kommen nicht nur wegen des schmackhaften Essens. Sie kommen auch wegen Lena. Sie ist ein Original und als echte Hamburger Deern nicht auf den Mund gefallen. Die gelernte Erzieherin, die fast ihr ganzes Arbeitsleben in der Gastronomie verbracht hat, unterhält ihre Gäste mit lockeren Sprüchen. Der Ton ist hafenüblich etwas rauer, aber herzlich. Lenas Wortwitz ist legendär und sie selbst eine Frohnatur, das kommt an. Seit mehr als 20 Jahren gibt es bei ihr Kaffee und Klönschnack ab morgens um sieben. Die lockere Atmosphäre springt auch auf die Gäste über. So manch schwierige Vertragsverhandlungen oder festgefahrene Lohngespräche wurden in Lenas Laden bei Schnitzel und Currywurst einvernehmlich gelöst.

Lena steht werktags frühmorgens auf und schmiert in der kleinen Küche ihrer beiden zusammengeschraubten 20-Fuß-Container Brötchen im Akkord. Sie brät haufenweise Frikadellen, schnippelt Kartoffeln und klopft Schnitzel flach. Punkt 7 Uhr, wenn die Tür aufgeht, warten bereits die ersten Kunden auf dampfenden Kaffee und Frühstücksbrötchen. Bis 16 Uhr wirbelt die 58-Jährige hinter dem Tresen mit der Kochzeile. Am Nachmittag fährt die Mutter eines erwachsenen Sohnes dann noch regelmäßig zum Großhandel, um frische Ware zu besorgen. Mit der Abrechnung kommt Lena oft locker auf 14-Stunden-Tage, aber der Job und der Austausch mit Menschen machen ihr Spaß, sonst wäre die Belastung auf Dauer kaum auszuhalten.
Der Standort am Kleinen Grasbrook ist ideal. Gleich nebenan liegt der HHLA-Terminal O`swaldkai, ein riesiger Umschlagplatz für Früchte und Autos mit entsprechend viel Personal und Abholern. Lena, der bereits mehrmals die Kündigung drohte, weil das gesamte Areal zum neuen Stadtteil Grasbrook umgebaut werden soll, hält in ihrem Imbiss noch die Stellung. Aber es ist klar, dass ihre Container mittelfristig weichen müssen. Lena möchte ihr Umfeld aber auf keinen Fall verlassen. Ihre vielen Stammgäste würden ihr mit Sicherheit an eine andere Stelle im Hafen folgen, denn sie bietet einen Platz, an dem jeder ungezwungen Hunger und Durst stillen, über kernige Sprüche lachen und die Seele baumeln lassen kann. Ingo Thiel (Text & Fotos)
Infos: Zum Lütten Foffteiner, montags bis freitags 7 bis 16 Uhr, Dessauer Straße 10, 20457 Hamburg
Kaffeeklappen: Vorbild aus London
Die Idee für Hafenimbisse kam im 19. Jahrhundert aus London: Das Leben der Hafenarbeiter war damals extrem hart, Doppelschichten waren an der Tagesordnung und es gab vermehrt Probleme mit Alkoholmissbrauch, der für viele Unfälle sorgte. An der Themse begegnete man diesem Problem, indem man im Hafengebiet Buden aufbaute, an denen die Arbeiter für kleines Geld schmackhaftes Essen und alkoholfreie Getränke bekamen. In Hamburg gründete sich 1884 das „Comitee zur Errichtung von Volkskaffeehallen“ um „weniger Bemittelten“ möglichst billige und der Gesundheit förderliche Speisen anzubieten. Den Namen „Kaffeeklappe“ hatten die Essensausgaben im Volksmund schnell weg, weil Heißgetränke und Essen durch eine kleine Klappe nach draußen gereicht wurden. Den damals in Arbeiterkreisen nicht allzu üblichen Kaffee schenkte man aus, weil in London festgestellt worden war, dass dieses Heißgetränk die Arbeiter wacher und konzentrierter machte.