September 12, 2025

Das schwarze Manuskript

Rezension "Das schwarze Manuskript", Heinrich Steinfest, Piper Verlag. Klug, sprachlich hervorragend, unterhaltsam, zum Nachdenken anregend.

September 12, 2025

„Das schwarze Manuskript“ ist mehr als nur eine Erzählung über ein geheimnisvolles Buch – es ist eine vielschichtige Reflexion über Identität, Literatur und Realität. Das Werk thematisiert die Macht der Sprache, Wirklichkeit nicht nur abzubilden, sondern sie aktiv zu gestalten. Das titelgebende Manuskript wird zur Chiffre für verborgene Wahrheiten, aber auch für die Verantwortung, die mit Wissen einhergeht.

Ashok Oswald, Vorstandsvorsitzender eines Mischkonzerns zieht morgens seine Bahnen in seinem Pool, als drei Fremde auftauchen und ihn zwingen, ein Manuskript herauszugeben, das ihm vor Jahren von einem Fremden anvertraut wurde. Oswald händigt das Schriftstück aus, doch er weiß nicht, was an diesem Text so wertvoll oder gefährlich sein könnte, dass Fremde es mit solchem Nachdruck fordern. Getrieben vom Wunsch zu verstehen, wählt er einen radikalen Einschnitt: Er wirft sein altes Leben über den Haufen. Seine Suche nach dem einstigen Autor führt ihn letztendlich nach Irland, wo Landschaft, Wetter und skurrile Begegnungen sein Inneres widerspiegeln. Immer stärker rückt das Manuskript in den Fokus: Es scheint mehr als nur ein Text zu sein, eine Art prophetisches oder manipulierendes Werk, das die Wirklichkeit beeinflusst.

Der 1961 geborene Heinrich Steinfest ist vielfach preisgekrönter Autor:  So hat er den Deutschen Krimipreis, den Stuttgarter Krimipreis sowie den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis erhalten und wurde für zahlreiche weitere Auszeichnungen nominiert. Bekannt wurde Steinfels vor allem mit seinen Krimis um den einarmigen Detektiv Cheng.

Steinfest hat einen sehr eigenen Schreibstil entwickelt, eigenwillig und geistreich zugleich. Er jongliert mit metaphysischen Beobachtungen und momenthaften Impressionen: Kochen wird als  „Totes zum Leben zu erwecken“, und Liebe als „Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst“ beschrieben, „der Liebende ist immer auch ein Selbstmörder“. Die Sprache ist sorgfältig gewählt, präzise und doch farbig, gleichzeitig voller Augenzwinkern und Tiefe.

Im Verlauf der Handlung werden Themen behandelt wie Macht, das Verhältnis zwischen öffentlichem Erfolg und privatem Leben, die Bedeutung von Literatur sowie Liebe und persönliche Beziehungen. Der Umgang des Autors mit moralischen Fragen ist ebenso subtil wie kraftvoll und gerade deshalb so wirksam. Anstatt den moralischen Zeigefinger zu erheben oder seine Figuren in eindeutig gut oder böse zu kategorisieren, bettet er ethische Fragestellungen elegant in den Fluss seiner Erzählung ein. Dabei ist er nicht belehrend, sondern vermittelt Respekt und Toleranz. So wird das Loslassen von Besitz und Status nicht nur zur äußeren, sondern zur inneren Läuterung. Steinfest behandelt Themen wie Toleranz, Respekt und Empathie als Haltung, die sich in der Art ausdrückt, wie seine Figuren miteinander umgehen. Selbst Randfiguren erhalten so Würde, Individualität und Tiefe. Man spürt, dass hinter jedem Menschen eine Geschichte steckt und dass man sich mit schnellen Urteilen schwertun sollte.

Die Anlage der Charaktere ist ebenso ungewöhnlich wie fesselnd. Ashok Oswald selbst, als Protagonist, ist ein Mann in der Lebensmitte, dessen bisherige Privilegien und Macht keine Erfüllung mehr bieten. Die Nebenfiguren wie Peter Bischof, verschollen geglaubter Autor, und eine alternde Schauspielerin, die Oswald seit einer kurzen Affäre nicht mehr vergessen kann, dienen als Katalysatoren für Ashoks Transformation.

Insgesamt ist „Das schwarze Manuskript“ ein Roman, der durch seine Handlung besticht, einer Mischung aus Kriminalfall, literarischer Spurensuche und existentiellem Ausbruch, und durch Sprache sowie Stil fasziniert. Das Buch verwebt Provokation und Leichtigkeit, Tiefsinn sowie Spannung und erzählt dabei von einer Reise, die zugleich innerlich und äußerlich ist. Klug, sprachlich hervorragend, dazu auch noch unterhaltsam ist und zum Nachdenken anregend.

Das schwarze Manuskript

Heinrich Steinfest

Piper Verlag

Gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 23 Euro

ISBN: ‎ 978-3492072168

Weitere Informationen unter https://www.piper.de/buecher/das-schwarze-manuskript-isbn-978-3-492-07216-8

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